Entlang der 6 km langen Wanderroute Praia da Amoreira entdeckt man unterschiedliche Landschaften und fühlt sich ab und an in eine Märchenwelt versetzt
Text: Anabel Gaspar & Kevin Keiner;
Fotos: Anabel Gaspar, Kevin Keiner & Verena Spöttl
Die Costa Vicentina ist längst über Portugals Grenzen hinaus bekannt. Nicht nur Portugiesen und Residenten schwärmen von der Westküste der Algarve, sondern auch viele ausländische Touristen. Die Felsen, die Strände und die fast unberührte Natur sind schlicht und einfach beeindruckend. Strände wie Arrifana, Amado, Carrapateira oder Amoreira sind sehr bedeutend – vor allem unter den Wellenreitern. Ganz zu schweigen vom Kap S. Vicente oder der Festung bei Sagres. Asphaltierte Straßen und Holzstege ebnen Touristen den Weg entlang der Klippen. Dennoch gibt es unentdeckte Routen, auf denen man praktisch keiner Menschenseele begegnet, wie die Route Praia da Amoreira, die zur Rota Vicentina gehört und vom Campingplatz bei Aljezur durch eine abwechslungsreiche Landschaft bis zum Strand von Amoreira führt.
Die Rota Vicentina (www.rotavicentina.com) ist das Gegenstück zum Wanderweg Via Algarviana. Letzterer verbindet das Hinterland der Algarve von Alcoutim im Osten bis Sagres im Westen, während die Rota Vicentina an der Westküste entlang verläuft und Santiago do Cacém im Alentejo mit dem Kap S. Vicente in der Algarve verbindet. Sie enthält die Route der Fischer (Trilho dos Pescadores), die direkt entlang der Küste führt, und die historische Route (Caminho Histórico) etwas abseits der Küste. Insgesamt kann man auf 350 km die gesamte Costa Vicentina erkunden.
Um das Auto nicht mitten im Niemandsland stehen zu lassen, starten wir am Campingplatz von Aljezur. Mit festen Wanderschuhen und Proviant ausgerüstet, beginnt der Marsch. Es ist Vormittag, die Luft ist frisch und die Temperaturen sehr angenehm. Kurz darauf sehen wir die erste rot-weiße Wegmarkierung. Diese gehört zur GR 11 E 9-Wanderroute, wird uns aber zum zirka 1,2 km entfernten Startpunkt der Route Praia da Amoreira bringen. Mit Ausnahme einzelner Bäume sind wir von einer kargen, ausgetrockneten und fast ausschließlich mit Macchie bewachsenen Ebene umgeben. Die Weite und die alleinstehenden Bäume erwecken in uns den Eindruck, im Alentejo zu sein, doch in der Luft liegt nicht der Duft von Getreide, sondern das unverwechselbare Aroma der Lackzistrosen. Kurz darauf erreichen wir die Gabelung mit dem Wegweirser der Route Praia da Amoreira und der für die Rota Vicentina typischen blau-grünen Markierung. Etwas später merken wir, dass die Landschaft sich langsam verändert. Der Weg führt uns zwischen leichten grünen Hügeln hindurch und die Pflanzenvielfalt nimmt zu. Bald gesellen sich zu den Lackzistrosen auch Mastixsträucher, Eichen, enorme Eukalyptusbäume und Wacholder. Links vom Weg bemerken wir erstaunlich grünen und dichten Bewuchs, sodass wir, noch bevor wir das Schilfrohr entdecken, schon ahnen, dass dort ein Bach fließt. Nicht nur das Grün, sondern auch das Vogelgezwitscher nimmt zu und vor uns flattern plötzlich zirka 15 Rebhühner erschrocken auf.
Bei den Ruinen eines kleinen Dorfes, das heute dem Zerfall überlassen ist, geht die Route links weiter. Noch während wir uns fragen, wer hier wohl lebte und wie sich das Leben in einer solch abgelegenen Gegend abspielte, sehen wir in unmittelbarer Nähe die Straße zum Amoreira-Strand. Die Häuser lagen also doch nicht so isoliert und eventuell wohnten hier in der Vergangenheit Fischer. Der Weg wird nun etwas sandiger, die Luft leicht salzig und in der Ferne vernehmen wir die Brandung. Der Atlantik ist nicht mehr weit. An der Hauptstraße angekommen, führt die markierte Route einige Meter über den Asphalt bis zum Parkplatz des Strandes. Man kann die Straße auch überqueren, die großen Dünen erklimmen und sich nicht nur mit dem Auge, sondern auch mit der Seele an der wunderschönen Landschaft erfreuen. Hier fließt die Ribeira de Aljezur in den Atlantik, schlängelt sich dabei an eine feinsandige Küste und bildet ein kleines Paradies. Der Weg durch den Sand ist sicher nicht einfach, aber dieser Abstecher lohnt sich allemal!
Am Parkplatz des Strandes legen wir eine kleine Pause ein und sehen gespannt den mutigen Wellenreitern zu, bevor wir zur angegebenen Route zurückkehren, die am Holzschild rechts vom Parkplatz die Düne hoch führt. Trotz der trockenen, sandigen Böden, der salzhaltigen Meeresluft, der starken Windböen und Sonneneinstrahlung ist die Pflanzenvielfalt erstaunlich. Hier schaffen es im wahrsten Sinne des Wortes nur die „Superhelden“ unter den Pflanzen, Fuß zu fassen. Es gibt schwarze Krähenbeeren, Rosmarin, Thymian, Strandfilzblumen, Grasnelken, Wacholder sowie Mittagsblumen. Viele dieser Pflanzen sind endemisch und wachsen nirgendwo sonst auf der Welt. Zusammen bilden sie eine anmutige, märchenhafte, einzigartige Landschaft, die als Filmkulisse von „Der Herr der Ringe“ hätte dienen können.
Der Anstieg ist etwas anstrengend, jeder Schritt im Sand wirkt wie Fitnesstraining, aber hoch oben auf den Felsen angekommen erwartet uns eine Belohnung. Der Anblick des weiten, tiefblauen Meeres, der imposanten Felsen und der Wellen, die immer wieder mit voller Wucht gegen die Klippen schlagen, macht uns sprachlos. Wie immer ist am Rand der Steilküste Vorsicht geboten. Zudem muss man hier auch aufmerksam nach den blau-grünen Wegweisern Ausschau halten. Nach zirka einem Kilometer verändert sich dann wieder die Vegetation. Wo vorher nur Sträucher und Bodengewächse zu sehen waren, tauchen nun auch die ersten Bäume auf. Erst sind es nur vereinzelte Pinien, doch kurz darauf befinden wir uns in einem richtigen Wald.
Der sandige Boden der Küste ist nun mit Piniennadeln übersät und links vom Weg stehen die großen Bäume so dicht, dass sie ein wenig an einen verwunschenen Märchenwald erinnern. Kurz darauf lassen wir den Wald hinter uns und befinden uns erneut in einer eher kargen Landschaft. An der Kreuzung mit den rot-weißen Markierungen der GR 11 nehmen wir den Weg rechts, erreichen kurz darauf den Ausgangspunkt der Route der Praia da Amoreira und werfen einen letzten Blick auf die Landschaft, bevor wir zurück zum Campingplatz gehen. Insgesamt sind wir zirka 10 km in drei Stunden gewandert. Jeder Schritt im wilden Westen hat sich gelohnt!
Mit freundlicher Genehmigung von Entdecken Sie Algarve/Open Media Gruppe
Ausgabe Entdecken Sie Algarve 10/14
Text: Anabel Gaspar & Kevin Keiner;
Fotos: Anabel Gaspar, Kevin Keiner & Verena Spöttl